„Das Westend nach vorne bringen“

Nach fast vier Jahrzehnten kandidiert der amtierende Ortsvorsteher Michael Bischoff (SPD) nicht mehr für den Ortsbeirat WestendOrtsbeirat Westend. Neue Spitzenkandidatin der Westend-SPD für die Kommunalwahl am 6. März 2016 ist die Stadtverordnete und Rechtsanwältin Michaela Apel. Wir haben mit beiden gesprochen: Über alte Geschichten aus dem Westend und neue Herausforderungen für eines der buntesten Viertel der hessischen Landeshauptstadt.

Herr Bischoff, Sie sind seit 1977 im Ortsbeirat aktiv und heute auf den Tag genau 32 Jahre Ortsvorsteher des Bezirks. Was sind für Sie persönlich wichtige Meilensteine Ihrer Arbeit?
Da gibt es einige, aber drei wichtige Dinge haben wir in den letzten knapp 40 Jahren erreicht, auf die ich stolz bin: Erstens die fünf Kindergärten und Kitas im Viertel, dann das Gemeinschaftszentrum im Georg-Buch-Haus, einem beliebten Ort für Veranstaltungen und Treffpunkt für alle Menschen im Westend, das gerade 20-jähriges feierte. Und schließlich die Einrichtung der Tempo-30-Zonen. Hier waren wir sogar Testgebiet für die Stadt Wiesbaden. Und nicht zu vergessen: Wir haben im Ortsbeirat frühzeitig erkannt, dass die Schulgebäude in einen nutzbaren Zustand gebracht werden müssen – und das immer wieder, um auch zukünftigen Generationen von Schülern adäquate Räume zum Lernen und Turnen bieten zu können.

Wo sehen Sie zukünftig Handlungsbedarf, um das Westend noch lebenswerter zu machen?
Das ist etwas unfair gegenüber meinen Nachfolgern, aber ich kann ja eine Empfehlung abgeben, um welche Punkte man sich weiter intensiv kümmern muss. Da wäre einmal der Elsässer PlatzElsässer Platz, auch wenn es hier in letzter Zeit schon voran geht. Dann die Fertigstellung bzw. Gestaltung des Stadtplatzes und des Faulbrunnenplatzes rund um die neue Sporthalle am Platz der Deutschen Einheit. Außerdem müssen weise Entscheidungen getroffen werden, wie das Programm Soziale Stadt II umgesetzt werden kann. Und natürlich muss weiter im Auge behalten werden, wie es mit den sozialen Einrichtungen im Viertel weitergeht, also wie aktive Sozialarbeit zum Beispiel die Schulsozialarbeit usw. weiterentwickelt wird. Es gibt noch einiges zu tun, aber das wird!

Haben Sie auch eine amüsante Geschichte aus Ihrer langjährigen Tätigkeit als Ortsvorsteher parat?
Ich kann mich gut an eine Bürgerversammlung Mitte der 80-er Jahre in der Aula der Leibniz-Schule erinnern. Es ging um das Thema der schon erwähnten Tempo-30-Zonen im Viertel. An der Versammlung nahm auch der damals zuständige Dezernent teil und hat den Bürgerinnen und Bürgern die Planung vorgestellt. Die Stimmung hat sich im Laufe der Sitzung derart aufgeheizt, dass der Vortragende am Ende mit Papierkügelchen und Stiften beworfen wurde. Es ging um die Einführung der Tempo-30-Zonen! – so etwas kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Ich war kurz davor, die Versammlung aufzulösen. Zum Glück ist am Ende alles glimpflich ausgegangen.

Und es gibt noch viele weitere kleine und große Geschichten aus dem Westend (lacht). Es gab immer Menschen, die die Provokation gesucht haben oder sich besonders angegriffen gefühlt haben. Aber insgesamt kann ich sagen, dass es immer mehr Menschen gab und gibt, die Veränderungen positiv gesehen haben und mitgewirkt haben. Ich bin im übrigen keiner der sagt, ich war alleine da. Es waren auch immer noch andere da. Gemeinsam hatten und haben wir das Ziel, das Westend nach vorne zu bringen.

Frau Apel, was hat Sie dazu bewegt, im Ortsbeirat aktiv zu werden und die Liste der SPD im Westend anzuführen?
Ich wohne hier schon lange im Westend, bin von Anfang an politisch interessiert und seit 2002 auch aktiv. Da war es naheliegend, für den Ortsbeirat zu kandidieren. Seit 2011 sitze ich im Ortsbeirat. Hier kann man direkt für das Viertel Ideen einbringen und mitentscheiden. Auf die Idee, die Liste der Westend-SPD 2016 anzuführen, hat mich mein Ortsverein Westend gebracht (lacht). Da kann ich nix für, aber natürlich freue ich mich über das Vertrauen und die Unterstützung. Ich denke, dass ich das Viertel gut repräsentieren kann und auch die Kompetenzen mitbringe, die für diese Arbeit wichtig sind.

Wo sehen Sie persönlich politischen Handlungsbedarf und welche Schwerpunkte wollen Sie in Ihrer Arbeit im Ortsbeirat setzen?
Michael Bischoff hat absolut Recht: Die Gestaltung der Plätze im Westend sind ein zentrales Thema. Was mir aber auch besonders am Herzen liegt ist die Organisation des fahrenden und ruhenden Verkehrs. Und das unter Beachtung aller Verkehrsteilnehmer: Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer, Skateboarder usw. Wir müssen die Verkehrsräume im Viertel entsprechend der Anforderungen und unter Berücksichtigung aller Menschen realisieren!

Was ist für Sie – auch auf die gesamte Stadt gesehen – eine der zentralen Herausforderungen der kommenden Jahre?
Wir im Westend, als Randbezirk der Wiesbadener Innenstadt, müssen schauen, dass wir nicht zum Parkplatz der Fußgängerzone werden. Deswegen auch die Wichtigkeit des Themas Verkehr – für die gesamte Stadt.
Außerdem: Freizeitangebote! Es gibt im Westend kaum oder fast gar keine freien Angebote für Jugendliche. Meine Traumvorstellung ist, dass Kinder zu Jugendlichen heranwachsen können, ohne das Westend verlassen zu müssen, um freie Angebote wahrnehmen zu können. Wir brauchen Freiflächen, Plätze. Denn ohne Platz kein Platz für Jugendliche. Hier wollen wir anpacken.
Und schließlich das Thema Integration: Wir müssen uns weiter um eine noch bessere Integration der hier seit Jahren lebenden Migranten einsetzen. Durch kulturelle Interaktion, Bildung etc. Es gibt schon viele, die hier sehr gut integriert sind; genau da müssen und wollen wir ansetzen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Michaela Apel, geb. 1968 bei Köln, verheiratet, 1 Kind. Seit 2006 selbständige Rechtsanwältin mit Arbeitsschwerpunkt Strafrecht und Ausländerrecht. SPD-Mitglied seit 2002, verschiedene Ämter im SPD-Ortsverein Westend und der SPD Wiesbaden. Stellvertretende Vorsitzende der AsJ Bezirk Hessen Süd. Seit 2011 Stadtverordnete und Mitglied im Ortsbeirat Westend-Bleichstraße.

Michael Bischoff, geb. 1950 in Wiesbaden, ein „Urgestein“ des Westends und langjähriger Mitarbeiter der Verlagsgruppe Rhein Main. SPD-Mitglied seit 1972, verschiedene Ämter im SPD-Ortsverein Westend. Seit 1977 Mitglied im Ortsbeirat Westend, seit 1983 Ortsvorsteher des Westends.